Konzepte für die Computernutzung an Schulen

Konzepte für die Computernutzung an Schulen: "

Man korrigiere mich, aber ich gehe fest davon aus, dass sich keine Schule mehr in Deutschland finden wird, bei der sich nicht irgendwo im Schulhaus eine Computerecke als Lernort finden lässt (ausgenommen der bewusste Verzicht auf Technologie aufgrund [überholter] pädagogischer Konzepte). Jede Schule hat sich in den letzten fünf Jahren ein Konzept überlegt, wie man den Computer als Lern-Medium in den Unterricht und Schulalltag integrieren kann. Da die Ausstattung an Computern in der Regel unterhalb der Schülerzahlen liegt, müssen sich mehrere SchülerInnen einen Rechner teilen – oder viele SchülerInnen verzichten zugunsten einer kleineren, ausgewählten Gruppe.


Das Konzept, dass sich mehrere SchülerInnen im Laufe eines Schultages einen Computer teilen können, würde einer bedarfsorientierten Verteilung entsprechen. Diese bedarfsorientierte Verteilung lässt sich sowohl mit einem stationären Computerraum oder mit mobilen Laptopwagen in der Schule umsetzen. Nach Bedarf kann der Lehrende einen Satz von Computern bestellen und bekommt ihn in seinen Raum geliefert (oder bewegt sich in den Computerraum).


Neben der bedarfsorientierten Verteilung haben wir seit mehreren Jahren die Diskussion, ob nicht eine 1:1 Abdeckung von Computern in der Schule viel sinnvoller wäre. Jede/r SchülerIn besitzt dann einen eigenen Computer und hat ihn immer zur Hand. Man könnte dies als egalitären Ansatz bezeichnen, bei dem jedem Lernenden ein eigener Rechner zu jeder Zeit zur Verfügung steht – unabhängig von seinem akuten Nutzwert. Da jedoch der Einsatz durch digitalisierte Lernmaterialien und zunehmende Rechercheaufträge im Unterricht beständig steigt, steigt auch die Nutzungsmöglichkeit.


Mit einem 1to1 Konzept, welches seit einem Jahr auch als iPad-Version an verschiedenen Schulen evaluiert wird, hätte man also eine idealtypische Situation geschaffen: Jeder hat seinen Rechner immer dabei und kann überall mit ihm arbeiten und lernen.


Problematisch wird bei den 1to1 Projekten jedoch immer die Finanzierung. Wer kommt für die Kosten auf, wenn plötzlich bis zu 10x mehr Rechner von den Schulen gekauft werden müssen? Und wer übernimmt die ebenfalls steigenden Wartungskosten? Und wie ist das mit der Versicherung?


Aus diesen Gründen sind die meisten 1to1 Projekte an Regelschulen auch Projekte auf Zeit gewesen und konnten nicht dauerhaft installiert werden.


Ich fasse die beiden Möglichkeiten der Ausstattung mit Computern noch mal zusammen:



  1. Ein Rechner für viele Nutzer – one-to-many

    Bedarfsorientierte Verteilung über Computerräume oder Ausleihdienste

  2. Ein Rechner für einen Nutzern – one-to-one

    Egalitäres Prinzip: Jeder hat in der Schule seinen Rechner immer zur Hand


Die Frage, die mich - angestoßen durch einen zur Zeit nicht auffindbaren Artikel von Beat Döbeli Honegger – umtreibt: Wie lange müssen wir uns noch mit diesen Limitierungen auseinandersetzen? Ist nicht selbst one-to-one inzwischen überholt? Wer von uns nutzt denn nur ein einziges (!) elektronisches Gerät?


Wir haben in den vergangenen Jahren einen enormen Verfall der Preise von elektronischen Geräten erfahren; kombiniert mit einer ebenso enormen Leistungssteigerung. Dadurch ergeben sich neue Nutzungsmöglichkeiten, die in unserem Alltag immer unverzichtbarer werden. Das Smartphone, einst als Mobiltelefon eingeführt, ist uns heute Fahrscheinautomat, Bankzentrale, Navigation und Kommunikationsmittel zugleich. Und fast jeder Schüler hat ein solches Gerät inzwischen in der Tasche!


Ich glaube, dass wir in Zukunft mit einer one-to-one Lösung keinen Preis mehr gewinnen werden. Zu eingeschränkt sind die Nutzungsmöglichkeiten. Wir müssen mittelfristig many-to-one denken, also mehrere Endgeräte für einen Schüler. Längere Texte lassen sich an einer Tastatur schreiben, unterwegs ist jedoch das Smartphone der optimale Kommunikationskanal. Videoschnitt lässt sich an den Workstations besser erledigen, während für die Recherche vielleicht ein Tablet ausreicht. Kombiniere ich alles in einem Gerät, kommt ein unbrauchbarer Kompromiss dabei heraus.



Many-to-one? Ist das nicht noch teurer als das bereit heute unfinanzierbare one-to-one Modell?

Nein, da sich die Preisspirale für die technischen Geräte weiter nach unten drehen wird. Bereits heute kaufen wir Notebooks für unter 300 €. Dafür haben wir vor fünf Jahren noch weit mehr als das 4-fache bezahlt. Bei den Desktop Computern ist der Verfall schon ein paar Jahre länger her und wurde durch den Wunsch nach noch mehr Leistung in den Spiele- und Grafik-Sparten kompensiert. Aber einen einfachen PC für die üblichen Büroarbeiten gibt es bereits ab 160 €…


Die meisten SchülerInnen haben heute ein Smartphone, für das man vor etwas mehr als einem Jahr noch an die 800 € bezahlt hat. Warum sollten nicht auch die Tablet-Computer bald für alle finanzierbar sein?


Die SchülerInnen werden in fünf Jahren mit einer technischen Ausstattung an die Schulen kommen, die den heutigen Standard als lächerlich dastehen lassen wird. Das soll den heutigen Stand nicht diskreditieren, sondern die positive Entwicklung deutlich machen.


Wenn wir also heute in den Gesprächen mit den zuständigen Stellen und Behörden darum kämpfen müssen, dass die betagten Rechner ausgetauscht oder neue Arbeitsplätze installiert werden können, bereitet sich die Gesellschaft bereits darauf vor, digitale Endgeräte immer und überall zur Verfügung stehen zu haben. Wir müssen als Schule dann ‘nur’ noch Infrastruktur bereit halten. Diese Entwicklung können wir heute schon bei allen Entscheidungen berücksichtigen; zum Beispiel bei der Einrichtung und dem Ausbau der WLAN Stationen für schnellen Internetzugang oder der Konfiguration eines Servers.


Ähnliche Gedanken hat sich am Wochenende auch Martin Kurz in seinem Beitrag “Mobile Learning als Antwort auf fehlende Ressourcen in der Schule” gemacht.


Zum Abschluss noch nachgeschoben:

Es gibt einen Grund, warum die oben skizzierte Entwicklung nicht eintreten könnte und Schulen an einem one-to-one Konzept noch lange festhalten werden: das Kontrollbedürfnis – oft kommuniziert über die Notwendigkeit einer Bewertung. Wie soll ich eine Leistung bewerten, wenn ich nicht alle erstellten Inhalte und Medien vorliegen habe? Und wie soll ich prozessual beraten, wenn Teile der Kommunikation in einem nicht zu kontrollierendem Raum stattfinden?


Wenn ein Rechner von der Schule gestellt wird, kann der Computer als ‘nicht persönlicher Gegenstand’ begriffen und zur unterschiedlichen Zwecken durch die Lehrenden eingesehen werden. Bei einem Leihgerät ist die Frage der Privatsphäre für die darauf gespeicherten Daten eben eine andere als bei einem eigenen Gerät.

Der Kontrollverlust, dass Schüler frei und unmittelbar mit der Außenwelt kommunizieren können, stellt für Schulen und ihre Kultur eine Zäsur dar. Filter und ein Proxy reduzieren zwar die Bedenken, werden sie aber nicht in Gänze auflösen können.


Auch ist die Frage der sozialen Ungleichheit bei der Finanzierung von privaten Kommunikationsgeräten ungeklärt. Hier glaube ich aber, dass es ähnlich sein wird wie damals bei mir und den ersten Schreibgeräten: Der erste Füller wurde von der Schule beschafft, damit alle den gleichen Pelikan Füller haben. Nach nicht einmal zwei Monaten setzte die Entropie ein…


flattr this!

"

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen